Kinderkrankengeld

Kinderkrankengeld 2022

Auch im Jahr 2022 können gesetzlich Versicherte, die Kinder haben, aufatmen. Die Regelung des § 45 Abs.2a SGB V wird verlängert.

Gem. § 45 Abs. 1 SGB V können gesetzlich Versicherte im Fall einer Kindererkrankung bei Kindern bis um 12. Lebensjahr Kinderkrankheitstage und Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen. Die Voraussetzung war bisher immer, dass aufgrund eines ärztlichen Attest eine Betreuung des versicherten Kindes in häuslicher Umgebung erforderlich war.

Gem. § 45 Abs. 2 S. 1 SGB V waren für jedes Kind jährlich höchstens 10 Tage, maximal jedoch 25 Tage vorgesehen. Alleinerziehende dürften in der Regel 25 Arbeitstage, jährlich jedoch höchstens 50 Arbeitstage in Anspruch nehmen.

Gem. § 45 Abs. 2. S. 3 SGB V werden 90% des Nettoarbeitsentgelts bei Angestellten und 70% des regelmäßig erzielten Arbeitseinkommens bei Selbständigen ersetzt.

Im Jahr 2021 wurde sodann wegen der Pandemie die Regelung des § 45 Abs. 2a SGB V eingefügt, wonach nicht nur die Anzahl der Tage, sondern auch die Gründe für die Beanspruchung von Kinderkrankengeld ausgeweitet wurden. 

Insbesondere wurden die Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen und Quarantäneregelungen mitberücksichtigt. 

Inzwischen steht das Jahr 2022 vor der Tür und die Pandemie ist immer noch nicht vorbei. In Thüringen wurden mittlerweile die Schulferien verlängert und anschließend Distanzunterricht angeordnet. 

Der Gesetzgeber hat (vielleicht) auch deswegen die erweiterte Regelung des § 45 Abs. 2a SGB V auch ins Jahr 2022 übernommen.

Die wichtigsten Punkte im Jahr 2022 im Überblick:

  • 30 Arbeitstage pro Kind, jedoch höchstens 65 Arbeitstage im Jahr;
  • 60 Arbeitstage pro Kind für Alleinerziehende, jedoch höchstens 130 Arbeitstage im Jahr;
  • Bis zum 19. März 2022 kann Kinderkrankengeld auch dann beansprucht werden, wenn das Kind nicht krank ist, sondern zu Hause betreut werden muss, weil die Einrichtung entweder geschloßen ist oder nur eingeschränkt zugänglich ist. Das gleich gilt im Fall, wenn das Kind aufgrund des Antigenschnelltests die Einrichtung nicht betreten darf oder aufgrund behördlicher Empfehlungen die Einrichtung nicht besuchen soll oder durch die behördliche Anordnung die Schulferien verlängert wurden (s. Thüringen).

Der Anspruch auf Kinderkrankengeld schließt den Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz nicht aus, sondern steht daneben. Wird der Anspruch auf Kinderkrankengeld geltend gemacht, so ruht der Anspruch nach § 56 Abs. 1 a IfSG. 

Zu bedenken ist, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld nur dann besteht, wenn auch das Kind in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert ist. Ist das Kind privatversichert, so scheidet der Anspruch nach § 45 SGB V aus. 

Praxistipp: Sollten Sie (unerwartet) in eine Situation geraten, wenn Ihr Kind in die Quarantäne muss, so melden Sie sich bei Ihrer Krankenkasse und lassen Sie sich ein Antragsformular für die Beantragung von Kinderkrankengeld zuschicken. Falls die Quarantäne auf Verordnungen oder Allgemeinverfügungen beruht und keine Einzelfallentscheidung ergangen ist, legen Sie dem Antrag entsprechende Auszügen, Einschätzungen des RKI oder andere Unterlagen bei, die das Erfordernis der Quarantäne bestätigen. 

Mütter dürfen nicht krank werden!

Mit dem Stichtag zum 1. Juli 2015 wurde das Elterngeld im BEEG modernisiert und das Elterngeld Plus eingeführt. Statt 12 Monate Basiselterngeld war möglich 24 Monate nur die hälftige Leistung zu erhalten. Das Model des Elterngeld Plus dient dem Gedanken, dass eine Mutter Anreize hat, um in den Beruf in Teilzeit zurückzukehren und dabei länger in der bezahlten Elternzeit zu bleiben. Dabei soll das Gehalt (nicht vollständig) auf das Elterngeld angerechnet werden, sodass eine Mutter mehr als nur Mindestzahlung von 150,00 € erhält.

Nunmehr, wie es so kommen muss, werden auch Mütter krank. Manche so ernsthaft, dass sie aus der Entgeltfortzahlung nach EntgFG ausscheiden und ins Krankengeld wechseln. Was passiert dann mit dem Anspruch auf Elterngeld Plus? Der bleibt bestehen. Die Frage ist nur, in welcher Höhe?

Damit musste sich nunmehr das Bundessozialgericht in der Entscheidung B 10 EG 3/20 RS befassen.

Der Klägerin wurde das Krankengeld vollständig auf das Elterngeld Plus angerechnet, sodass sie nur einen Anspruch auf Mindestzahlung am Ende erhielt (150,00 €). Damit gab sie sich nicht zufrieden und klagte nach dem erfolglosen Widerspruchsverfahren durch alle Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit.

Das Sozialgericht gab der Klägerin Recht. 

Das Landessozialgericht hat in der Berufungsinstanz die Klage abgewiesen und die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Mit der Revision rügte die Klägerin die Verletzung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BEEG. Das Ziel der Regelung, mit dem Elterngeld Plus und dem Gehalt das vorgeburtliche Einkommen teilweise zu ersetzen wird nicht erreicht, wenn die Lohnersatzleistung, zu der auch das Krankengeld gehört, anspruchsmindernd berücksichtigt wird. Die Mutter wird im Fall einer ernsthaften Erkrankung finanziell doppelt „bestraft“, weil sie sowohl nur einen Teil ihres Gehaltes durch Krankengeld erhält und auch elterngeldtechnisch nur auf den Mindestsatz zurückfällt.

Das Bundessozialgericht hat (leider) die Revision der Klägerin abgewiesen. Das Krankengeld als Lohnersatzleistung wird gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BEEG bei der Berechnung des Basiselterngeldes vollständig berücksichtigt. Nichts anderes gilt für das Elterngeld Plus. Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 S. 1 BEEG ist nach der Auffassung des Bundessozialgerichts eindeutig. Die Förderung der Beschäftigung ist durch die doppelte Bezugsdauer mit der hälftigen Bezugshöhe ohne ein nachgeburtliches Einkommen gegeben. Eine Förderung durch die Nichtanrechnung der Lohnersatzleistungen hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. 

Fazit:

Leider bestätigt sich die Lebensweisheit, dass Mütter nicht krank werden dürfen. Werden wir krank, so bricht das familiäre Leben zusammen. Und auch der finanzielle Rahmen. Der Gesetzgeber möchte nur gesunde und starke Mütter unterstützen, die keine drei Jahre die Hausfrau spielen und sich nur um Kinder, Küche und Wäsche kümmern. Frauen sollen schneller in den Arbeitsalltag zurückkehren. Auch nur in Teilzeit, aber dafür mit Elterngeld Plus. Nur hat der Gesetzgeber vergessen, dass die Gesundheit kein Automatismus ist und sich auch nicht steuern lässt. Vor allem in der Zeit der Pandemie lastet auf den Familien eine enorme Belastung, die ungeahnte psychische Krankheiten mit sich bringt. Auch nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass eine Schwangerschaft und Geburt für den weiblichen Körper und Gesundheit eine gewisse „Bombenexplosion“ sein kann. Danach ist die Welt nicht immer so, wie sie vorher war. 

Es wäre wünschenswert gewesen, dass das Bundessozialgericht ein Zeichen auch für angeschlagene Frauen gesetzt hätte, sodass auch diese Frauen nicht befürchten müssten bei längerer Krankheit trotz nomineller Berufstätigkeit in ein finanzielles Loch zu fallen.  

Arbeitslosengeld I beim Umzug ins EU-Ausland.

Diese Möglichkeit ist nicht sehr bekannt. Auch beim Suchen im Internet findet man nicht viele hilfreiche Informationen. 

Im Fachanwaltslehrgang Sozialrecht wurde das Thema ebenfalls nicht besprochen, sodass ich damit zum ersten Mal konfrontiert wurde, als ich eine Anfrage aus München erhielt die Mandantin dazu zu beraten und ihr beim Ausfüllen der Unterlagen zu helfen.

Also habe ich mich zunächst auf die Suche nach der Rechtsgrundlage begeben. Die Besonderheit des Falles war, dass meine Mandantin die Tätigkeit auch noch selber gekündigt hat, weil dem Familienumzug nach Italien anstand. Mit dem Antrag auf Bewilligung der ALG I-Leistungen wurde auch der Antrag auf Zahlungen der Leistungen im EU-Ausland gestellt. 

Die Rechtsgrundlage dafür findet sich im Art. 64 VO (EG) 883/2004. Erfüllt ein Arbeitsloser die Voraussetzungen des SGB III und hat einen Anspruch auf LAG I, so kann er diesen und die damit verbundenen Zahlungen auch mit ins EU-Ausland in der Regel für 3 Monate mit einer Verlängerungsoption für weitere 3 Monate mitnehmen.

Die formale Voraussetzung ist, dass der Umzug mindestens 4 Wochen vorher gemeldet wird, damit die örtliche BA noch die Möglichkeit hat Stellenangebote zu schicken, um ggf. den Umzug zu vermeiden. Im Fall meiner Mandantin war dies jedoch sinnlos, weil der Umzug nach Italien zur Familie und dem Ehemann erfolgte, sodass ein Verbleib in Deutschland ausgeschloßen war. Auf Nachfrage wurde meiner Mandantin auch eine frühere Ausreise genehmigt.

Um den Transfer der Leistungen zu beantragen, muss die Form PD U2 ausgefüllt werden. Die Bewilligung erfolgt zunächst für 3 Monate, vorausgesetzt die Meldung bei der zuständigen Arbeitsverwaltung erfolgt fristgemäß. Diese Meldung muss auch nachgewiesen werden, damit die Leistungen nicht wieder aufgehoben werden. Die Verlängerung um weitere 3 Monate muss ebenfalls rechtzeitig beantragt werden und erfolgt in der Regel problemlos.

Zu beachten ist, dass bei der Verhängung der Sperrzeit auch auf die transferierten Leistungen Auswirkung hat. 

Im Fall meiner Mandantin haben wir zunächst erfolgreich die Sperrzeit wegen Eingenkündigung gem. § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III wegen der existierenden Rechtsprechung zum Ehegattennachzug i.S.e. wichtigen Grundes nach Abs. 1 S. 1 aufgehoben bekommen. Sodann ist meine Mandantin nach Italien gezogen und hat sich da unverzüglich bei der örtlichen Arbeitsverwaltung als arbeitssuchend gemeldet, sodass ihr die ALG I-Leistungen bezahlt wurden. Auch die Verlängerung erfolgte reibungslos, allerding für 2 weitere Monate, weil meine Mandantin in den Mutterschutz wechselte.

Und, oh Wunder J, erhielt sie von der deutschen Krankenkasse gem. Art. 17 ff. VO (EG) 883/2004 auch noch Mutterschaftsgeld. 

Ende gut, alles gut. Auch wenn die Regelungen im sozialrechtlichen Bereich teilweise erheblich kritisiert wurden, zeigt dieser Fall, dass ein Mensch auf seine „verdiente“ soziale Absicherung zählen kann, auch wenn der Lebensmittelpunkt in Deutschland aufgegeben wird.