Der „Joghurtbecher“-Fall.

Der „Joghurtbecher“-Fall.

Ich war gerade dabei mir für den ersten Beitrag Gedanken zu machen, welches Thema ich aussuche und über welchen außergewöhnlichen Fall aus meiner Praxis ich berichten kann, als meine Freundin mir ganz entrüstet über einen Vorfall im Supermarkt beim wöchentlichen Einkauf berichtete. 

Beim Ausladen der Waren auf das Band hat sie bemerkt, dass zwei Joghurtbecher kaputt waren. Sie wollte diese nicht mehr kaufen, die Kassiererin habe sie jedoch böse angeschnauzt und die Becher trotzdem durch die Kasse gezogen und ihr berechnet. 

Wir quatschten ganz gemütlich auf dem Weg vom Kindergarten wie zwei Mütterchen und regten uns über das Verhalten der Kassiererin auf. Und plötzlich dachte ich darüber nach, wie die Rechtslage im Fall meiner Freundin tatsächlich war. 

Recht begleitet uns überall und immer. Aber nicht immer sind wir darauf vorbereitet. Warum komplizierte Themen erläutern, wenn eine einfache Situation im Supermarkt eine Juristin zum Grübeln bringt?!

Die Kernfrage der Geschichte ist: „Bin ich dazu gezwungen Ware, die kaputt gegangen ist, zu kaufen?

Nein.  

Der Kaufvertag zwischen dem Kunden und dem Supermarkt kommt mit dem Scannen der Ware an der Kasse und dem Bezahlvorgang zu Stande. Die ausgestellt Ware ist ein Angebot an alle Kunden, diese Ware zu kaufen ( lat. Invitatio ad offerendum). Das konkrete Angebot macht der Kunde, indem er die Ware aufs Band an der Kasse legt. Und der Supermarkt, vertreten durch die Kassiererin, nimmt das Angebot auf Abschluß eines Kaufvertrages an, indem es die Ware scannt. Sagt der Kunde vor dem Scannen: „Ich möchte es doch nicht kaufen“, so zieht er sein Angebot zurück und der Vertrag wird nicht geschloßen.

Meine Freundin konnte also ganz entspannt ihre Meinung ändern und die Joghurts nicht mehr kaufen, weil sie entdeckt hat, dass diese beschädigt waren. 

Und nu? Fall zu Ende? Nein, so einfach geht es leider nicht.

Falls meine Freundin, auch fahrlässig, die Verpackung beschädigt hat, schuldet sie dem Supermarkt einen Schadensersatz aus deliktischer Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB. Sie hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Der Supermarkt ist immer noch der Eigentümer der mittlerweile kaputten Joghurtbecher. Und falls meine Freundin aus Unachtsamkeit die Deckel beschädigt hat, hat sie so das Eigentum des Supermarktes verletzt und ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Und der Schaden ist der Kaufpreis in diesem Fall. Also müsste sie den Kaufpreis bezahlen, ohne dass ein Kaufvertrag zustande kommt. 

Falls meine Freundin die kaputten Becher schon aus dem Regal entnommen hat (was gelegentlich auch mir passiert), so ist sie natürlich nicht zum Schadensersatz verpflichtet.

In der Praxis wird der Fall so gelöst, dass der Supermarkt aus Kulanz in der Regel auf den Schadensersatz verzichtet. 

Entsteht im Supermarkt ein größerer Schaden, der vom Kunden verursacht wird, so muss dieser entweder durch den Kunden oder seine Haftpflichtversicherung ersetzt werden.